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Die Welt als Erbengemeinschaft – 2022 wurde das UNESCO-Welterbe 50 Jahre alt

Das Jahr 1972: Der Club of Rome veröffentlicht seinen Bericht „Die Grenzen des Wachstums“. In Stockholm veranstalten die Vereinten Nationen die erste Konferenz über die Umwelt des Menschen – Startschuss für eine internationale Umweltpolitik.

Wie kann die Menschheit sicherstellen, dass ein gemeinsames Erbe der Welt für die Zukunft erhalten bleibt? Kulturstätten und Naturorte, die etwas aus der Vergangenheit erzählen, um uns für die Zukunft lernen zu lassen. Orte, die wir bewahren wollen, um kommenden Generationen die Erde in einem lebenswerten Zustand übergeben zu können.

Die Schrecken des Zweiten Weltkriegs sind 1972 noch greifbar. Der Krieg hat gezeigt, dass kulturelles Erbe höchst vulnerabel ist. Zur gleichen Zeit entsteht ein globales Verständnis von Umweltschutz und ein Bewusstsein dafür, dass natürliche Ressourcen nicht unendlich verfügbar sind.

Was ist das gemeinsame Erbe der Menschheit?

Was also gilt es zu schützen? Welche kulturellen und natürlichen Stätten sind nicht nur regional wichtig, sondern für die Menschheit als solche von außergewöhnlicher Bedeutung? Und warum? Was kann als das Erbe der Menschheit bezeichnet werden? Und wie kann dieses Erbe dazu dienen, den weltweiten Frieden zu sichern?

Dass nationenübergreifende Solidarität tatsächlich dazu führen kann, nationale Monumente zu schützen, hat wenige Jahre zuvor ein Projekt gezeigt: Als der Bau des Assuan-Staudamms droht, die Felsentempel von Abu Simbel zu überfluten, ruft die UNESCO zu einer internationalen Hilfsaktion auf. Dank dieser gelingt es, die Tempel zu retten und an anderer Stelle wieder aufzubauen. Im Geist dieser Erfahrung verabschiedet 1972 die 17. UNESCO-Generalkonferenz das „Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ – kurz: die UNESCO-Welterbekonvention

Bilanz nach 50 Jahren UNESCO-Welterbe

Bis heute sind weltweit 1.157 Stätten in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen worden, darunter 51 in Deutschland. Seit Verabschiedung der Konvention gibt es einen internationalen Austausch darüber, welche Stätten für die Geschichte der Menschheit und des Planeten besonders bedeutend und damit speziell zu schützen sind. Ziel dabei ist eine repräsentative und ausgewogene Welterbeliste der ganzen Welt. Kritikerinnen und Kritiker bemängeln seit vielen Jahren, dass die Welterbeliste dominiert ist von Stätten in reichen Industrienationen. Die UNESCO bestärkt und unterstützt daher insbesondere Vertragsstaaten des globalen Südens darin, vermehrt Stätten für die Welterbeliste vorzuschlagen, um diesem Ungleichgewicht entgegenzuwirken.

Tagung „Welterbe für die Zukunft bewahren“ im Oktober 2022 in Heidelberg

Dies war auch Thema auf einer Tagung, die die Deutsche UNESCO-Kommission und das Heidelberg Center for Cultural Heritage (HCCH) der Universität Heidelberg organisierten. Die Tagung zog eine Zwischenbilanz zur Welterbekonvention und blickte gleichzeitig auf ihre Zukunft.

Referentinnen und Referenten wie Dr. Mechtild Rössler, ehemalige Direktorin des UNESCO-Welterbezentrums in Paris, Dr. Claire Cave (University College Dublin) oder Prof. Dr. Thomas Schmitt (Universität Heidelberg) betonten, die Konvention habe es geschafft, die Aufmerksamkeit für den Kulturerbe- und den Naturschutz zu erhöhen, und es gebe eine Reihe von anerkannten Erfolgsgeschichten, die die Relevanz dieses globalen Schutzinstruments belegen. Das UNESCO-Welterbe erreiche die Menschen so gut wie kein anderes Programm der UNESCO. Als globales Erbe, dem die Menschheit gemeinsam über staatliche und kulturelle Grenzen hinweg besonderen Schutz zukommen lässt, fördere das Welterbe internationale Zusammenarbeit und Völkerverständigung. Insbesondere Kulturerbestätten, aber auch das Naturerbe, seien identitätsstiftend und befähigten gleichzeitig zu kosmopolitischem Denken. Welterbe habe deswegen eine hohe Relevanz für menschliche Gesellschaften in Gegenwart und Zukunft.

Welterbeschutz heute

Welterbeschutz des 21. Jahrhunderts bedeutet unter anderem, sich den Folgen des Klimawandels, des Übertourismus und von bewaffneten Auseinandersetzungen zu stellen. Die Teilnehmenden der Tagung in Heidelberg betonten, wie wichtig es sei, dass globale Strategien zur Bewältigung von Krisen und Bedrohungen verfolgt würden. Gerade weil die Weltgemeinschaft bei der Bewältigung des Klimawandels auf allen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ebenen gemeinsam handeln muss. Bedeutend dabei ist, dass die einzelnen Vertragsstaaten der Welterbekonvention aufgerufen sind, für ihre Hoheitsgebiete tätig zu werden und Schutzmechanismen auszubauen. Welterbe darf dabei nicht als Tourismuslabel angesehen werden, sondern als erfolgreiches globales Schutzkonzept. Gleichzeitig müssen die Verantwortlichen vor Ort Wege finden, beispielsweise bestehende Schutzmechanismen wie den Denkmalschutz mit dem Ausbau erneuerbarer Energien vereinbar zu gestalten.

Vom Welterbe für die Zukunft lernen – Der UNESCO-Welterbetag

Um möglichst vielen Menschen zu vermitteln, was das Welterbe mit all seinen Stätten und Naturräumen so einzigartig macht, laden immer am ersten Sonntag im Juni die Welterbestätten in Deutschland gemeinsam mit der Deutschen UNESCO-Kommission und dem UNESCO-Welterbestätten Deutschland e. V. zum UNESCO-Welterbetag ein.

Der UNESCO-Welterbetag sensibilisiert die Öffentlichkeit ebenso wie Politik und Medien für das UNESCO-Welterbe. Die Aktion verknüpft und vermittelt wichtige gesellschaftsrelevante Fragen zu Nachhaltigkeit, Wandel oder Solidarität direkt und konkret vor Ort mit den 51 Welterbestätten in Deutschland. Was können wir vom Welterbe für die Zukunft lernen? Und was können wir alle aktiv tun, um diese außergewöhnlichen Orte vor den Auswirkungen etwa von Klimawandel oder kriegerischen Auseinandersetzungen zu schützen? Bei Sonderführungen, Ausstellungen, Konzerten oder Mitmachaktionen gab es am 5. Juni 2022 unter dem Motto „50 Jahre Welterbekonvention: Erbe erhalten – Zukunft gestalten“ vor Ort an den Welterbestätten in Deutschland viele Gelegenheiten, sich über diese Fragen auszutauschen, unter anderem bei der Feier zur bundesweiten Eröffnung in Wismar.

Dies ist ein Beitrag aus dem Jahrbuch 2022.

Publikation

Welterbe-Manual. Handbuch zur Umsetzung der Welterbekonvention in Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Schweiz.
UNESCO-Kommissionen Deutschlands, Luxemburgs, Österreichs und der Schweiz, 2008